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November Ach, stell dir nicht solche Fragen. Du weißt es doch. Er säuft sich die Wampe voll mit Blut, zu Allerseelen, Martini, zur Wilden Jagd und zur Fasenacht. Das ist es, was ihn rumtreibt und sonst nichts. Da machen es sich die Unscheinbaren schon einfacher. Auf leisen Sohlen huschen sie durch die Wohnung, durchs Treppenhaus, durch die Stadt, um sich irgendwann ebenso auf leisen Sohlen auf den Friedhof tragen zu lassen. Freilich ist der Blick heute in ihre Gaube eine formale Weide für das Auge. Ich grase sie ab. Die weiße Dachschräge des Dachs, von der Gaube zum Dreieck aufgeworfen. Dahinter die rechte Wand in einem grundlosen Grau, graue Tiefe, geblockt von der Decke in schön verschattetem Verlauf zur hinteren Wand. Dort ein Schmutzweiß, das über seinem Spiegel einen Hauch von Grau wie Nebel scheinen lässt, in der Farbe und doch nicht zu ihr gehörend. Dann der Türsturz in edlem Eisgrau, der Anschnitt des Türblattes schrägt in den Raum, den Sturz durchbrechend. Links die schwarze Linie des Bilderrahmens, eine Illusion von Reinweiß das Passepartout, knapper Schwarzglanz der Bildtafel, von der Nacht am Fensterbrett geschnitten. Schwarze Fensterrahmen, leicht sonnengelb von der Glaskante bestrahlt. Im Oberlicht weiß und wassergrau die Blätter der Jalousie. Das rechte Fenster leer. Der Blick ins Innere reine Form, Flächen und Farben, die sich zueinander schneiden miteinander korrespondieren. Gelungene Harmonie voll belebender Spannung. Im linken Fenster die bekannten Accessoires, als eigene Bildtafel. Blass die Sonne heute Nacht im linken Flügel, nicht schwarzblaugelb! Ein Glaskelch dahinter, verleiht ihr den Anschein eines eigenen Laternenfußes, ein Kelch mit Grau gefüllt daneben. Im Flügel daneben, das Geschlinge der Wasserpfeife, aufgerichtet der Galgen der Tischlampe und nachtweiß ein Zylinder auf der Fensterbank, durchscheinend als wäre er ein Gefäß für die Seelen der Grauen. Wer es versteht hinzuhören, wird die Seelen durch die Lüfte schwirren sehen. Ein spätes Seelchen, eins dieser durchscheinenden grünen Mückenfliegenfalter, fliegt durch den geöffneten Fensterschlitz, umflattert die Schreibtischlampe und verkriecht sich schließlich unter meiner Tastatur. 2. November
2000 Ein Taubenpaar ist zurückgekehrt. Nein, noch nicht. Beäugt die Nische. Zwei besonders hübsche, junge Täubchen. Werden sie sie für sich küren. Es wäre ein gutes Omen für den Winter. Ein Anstreicher
hat heute Morgen, den Sockel des Hauses mit schnellem Pinsel aufgefrischt.
- Frühjahrstun im späten 3. November
2000 Das satte himmelblau des Morgens wird nun von wolkengrauer Watte gedeckt ... Was ist ein himmlischer Fick? 8. November
2000 Es ist
Nacht. Mein gewohntes Gegenüber ist jetzt unbewegt und verdunkelt. Die
Gasse ist ruhig. Es finden sich keine Paare in Autos, die sich gegenseitig
in den Schritt greifen. Keine Mädchenköpfe, die sich rhythmisch über dem
Schoß der Kraftfahrer bewegen. Keine Drogensüchtigen, die sich im Laternenschein
in die Venen stechen. Keine Fahrzeuge, die zertrümmert vor geknickten
Laternenpfählen stehen. Keine Turner und Läufer, die die Promenade bevölkern.
Keine Hunde, 9. November
2000 Sie haben ihr Gespräch beendet. Sie verlässt den Raum, er begibt sich wieder hinters Regal. Beider Bewegungen verraten Einigkeit, doch keine Zufriedenheit. Man wird über das Gesagte noch weiteres sagen. Die anhaltende Novemberstimmung schwingt auf zu einem sonnigen frühwinterlichen Abend. Jetzt
sitzt das Töchterchen auf der Couch, bürstet sich abwesend das Haar. Die
Mutter steht daneben, hält eine Tasse in der Hand, blickt auf sie. Vater
Schnauzer tappt hinzu, nimmt die Ecke. Ich sehe seine Hände Papier halten.
Die Tochter ist das Gespräch und will es nicht sein, bockt ein wenig,
hält sich an der Bürste fest, zupft ihre Strähnen. Die Mutter verlässt
das Zimmer. Der Vater scheint die vorbesprochene Linie gefunden zu haben.
Sie greift, das Mädchen wirkt nun aufgeschlossener, spricht nachdenklich,
lächelt. Die Mutter kehrt zurück. Die Tochter verlässt das Zimmer. Die
Frau spricht zu ihrem Mann. 10. November
2000 Im Fenster der Unscheinbaren steht eine Plastiktüte, konisch geformt. Sie könnte einen Strauß verbergen. Ein Mitbringsel für eine Einladung? Nur an welchem Tisch würde man die Unscheinbaren als Gäste bemerken? Könnten sie doch stundenlang in einem Gasthaus rasten und mitgebrachte Butterbrote verzehren, ohne vom Wirt behelligt zu werden. Verschattet und unbewegt versinkt das Gegenüber im frühen Abend. Geister lösen sich aus den Wolken. Sinken im Nebel in die Gasse. Ein zweiter Blick zu den Unscheinbaren, die Plastiktüte ist aus dem Fenster genommen, die Jalousie heruntergelassen. Eine unscheinbare Handlung, unbemerkt und ungesehen. 11. November 2000 Martini.
Nacht. Eine Gans als Seelenopfer schmort im Ofen. Sage nicht, es ist der Stahlzylinder auf dem Kamin, in dem sich das Licht des aufgehenden Mondes spiegelt. Selbst wenn es so wäre, weder der Gott noch die Seelen, die sich ihm anvertrauen, würden es dir verzeihen, dass du die Zeichen falsch deutest. Zwei Tage schon herrscht Dunkelheit beim Leblosen. Liegt er mit aufgedunsenen Bauch voll schwarzem Blut unterm Dach? Rülpsend und verdauend? Oder hetzt er durch die Gassen hinter warmen Leibern her, um an diesem längst verworfenen Neujahrstag noch einmal warmes Blut zu trinken? 12. November 2000 Rasch wandelte sich der Nachmittag nach knappen Abend schon zur Nacht. Düster das Gegenüber. Mächtig wie ein Hochaltar ragt die Ziergaube des Leblosen in die Dunkelheit. Im mittleren Fenster des Leblosen spiegelt sich das Licht einer Studentengaube. Nur bei den Unscheinbaren ist Licht und stete Bewegungslosigkeit. Das Bild des blonden Mädchens, das vor Wochen einmal ins Fenster ihrer Gaube gehoben wurde, kommt mir wieder in den Sinn. Ein Engelchen, das dort unterm Dach gehütet wird. Engel sieht man nur selten im Leben ... Die Schwärze der Nacht sinkt tief in die Gasse. Der Lichtspiegel in der Scheibe des Leblosen ist gelöscht. Schlaf zu früher Nacht. Winternder Tod hängt in der sich tiefer senkenden Nacht. Ich werde mein rotes Rollo dagegenhalten. 13. November
2000 Alles sieht nach Einzug aus, auch wenn keine Möbel ins Haus getragen wurden. Ein schwules Paar? Oder hat er sich verjüngt, gewandelt, der Leblose, nachdem er mit den Novemberseelen seinen alljährlichen Reigen tanzte, den Warmen das Blut aus den Lenden schlürfte? Einer der beiden jungen Männer wird das Medium zur Welt der Lebenden sein, der Besorger des Leblosen und zugleich sein Proviant ... Kerzenlicht bei den Unscheinbaren. Helles Licht beim Schnauzer und abwechselnde Besetzung der Couch. Besuch, und zwischendurch die Tochter im roten Dress. Ein belebender Farbtupfer im Schwarz der Nacht. Seit Tagen Dunkelheit bei der Roten. Wahrscheinlich ist sie mit ihrer Mutter ins Altersheim gezogen. Oder stolpert womöglich mit ihr noch über Friedhöfe, um den Ahnen Seelenlichter anzustecken. Oder aber der Leblose ist eine Etage tiefer gezogen und nun liegt sie blutleer über die Mutter aufs Bett geworfen im Raum gegenüber. Und die Mutter, deren Blut dem Leblosen zu alt, zu abgestanden ist, regt sich müde gleich einem sterbenden Käfer unter der Last der Tochter, versucht sich freizustrampeln und verheddert sich mit jeder Bewegung mehr in ihren Bettüchern, die ihr zu Leichentüchern werden. 14.
November 2000 Der Schnauzer
sitzt mit gestutztem Haar in seiner Schreibtischkanzel. Ein Fremder für
meinen Blick. Seine Tochter kommt ins Zimmer, rein und raus. In wechselnder
Garderobe zeigt sie sich dem Vater. Baut sich vor seiner Kanzel auf. Die herabgelassenen Rollos versperren mir den Blick für weitere Mutmaßungen und verstärken die Düsternis. Kräftig wirkt nun das fahle Licht der Unscheinbaren, himmelhoch, im tiefschwarzem Dach vor tiefhängenden Regenwolken. Eine einsame Krähe fliegt entlang der Firstlinie nach Norden. 15. November
2000 Der Leblose hat Licht in seinem Aquarium, aus den anderen Fenstern schimmert grauer Schein. So pflegt er sich, um nicht zu schnell im Licht zu altern. Daneben im Dach die Unscheinbaren, in gewohnter Unscheinbarkeit. Nur ein Grüngewächs, neu hinzugekommen, am linken Fensterrand rankt sich Tag um Tag ein Stückchen näher dem Fensterkreuz entgegen. Zeigen sie damit nicht schon zu viel Mut, sich zu zeigen? Die Rote zeigt weder sich noch ihre Mutter. Womöglich ist sie mit ihr auf einem Kirchhof verschollen. Oder wo sonst verbringen Hausbesitzerinnen, zumal rote, ihren wohlverdienten Herbsturlaub, als im warmen Schein der Grableuchten, auch Hindenburglichter genannt. Rote, langlebige Lichter ... 16. November
2000 Die Rote
ist zurückgekehrt. Jedenfalls habe ich sie heute morgen kehrend vor dem
Haus gesehen. Hektisch, als gälte es, die fortwährende Hausarbeit zu Ende
zu bringen, schwang sie den Reisigbesen, und dennoch wird sie damit nie
zu einem Ende kommen. Sie ist schrecklich dürr. Der Rücken gebeugt. Nichts
verrät indes ihre nächtliche Anwesenheit. Sucht sie etwa nach den Visiten
auf den Friedhöfen ein letztes Liebesaben- Nur wenige Zeilen, und schon hat die Nacht den Abend verschlungen. 17. November
2000 Ziegel zählen und fantasieren, das ist das, was das Gegenüber mir zu bieten hat. Dieser dunkle bewegungslose Schnörkelklotz, mit seinen schwarz in die aufziehende Nacht ragenden Kaminen. Stelen, die weiß Gott, nur ich nicht, was bedeuten mögen ... Da hat es mein Bruder in Berlin schöner. Steht er am Fenster seines Wohnzimmers, blickt er aus dem Dachgeschoss hinüber auf ein Haus in dem es wurlt und lebt. Keine Gardine versperrt seinen Blick. Des Abends ist alles von rotgelben Licht beschienen. Da spielen hier die Kinder, dort zieht eine mit Bedacht die Unterwäsche für den Abend an, wechselt die Büstenhalter und Schlüpfer, daneben paart sich ein Paar karnickelschnell, darüber wird das Abendbrot aufgetragen, darunter wird noch gearbeitet, und in anderen Fenstern ferngesehen oder gelesen. Hier kann ich dem Schnauzer, heute im roten Gewand, in seiner Schreibtischkanzel mümmeln sehen oder, sofern ich mich aufrichten würde, den Studenten beim Fernsehen zuschauen, beobachten wie sie sich die Haare dabei verwursteln, sich im Schritt kratzen und den engen Stoff locker ziehen oder über den Tisch in ein Buch gebeugt studieren. Dunkel ist das Dachgeschoss, ohne Kontur, nachtversunken. Nacht beim Leblosen und den Unscheinbaren. Kein Widerschein aus meiner Front. Ein nächtlicher Einriss, durch den mich das Gegenüber wie eine Ruine anmutet. 18. November
2000 Der Schmuckbogen der großen Gaube mir gegenüber schwingt sich in bislang nicht gesehenem Weiß in den Nachthimmel. Eine Grenzlinie zwischen was? Zwischen Nacht und Nachtwandlern, zwischen Wiedergängern und Seelenfrieden? Oder ein Bogen zur Dunkelheit hingespannt und gleichermaßen das kleine Leben umfriedend? Gestern trug ich der Oma vom Nebenhaus wieder die Tasche zur Türe. Und obwohl ich dies für sie mache, wann immer ich sie durch die Gasse staksen sehe, erkennt sie mich nicht. Wo stände sie im dunklen weiß umrandeten First der Gaube? Stände sie noch unter dem Bogen, oder spazierte sie schon über ihn, von der Nacht umfasst mit den Füßen aber noch im Sichtbaren weilend? Nun, sie erzählte mir von dem Bach, der einst durch unsere Gasse floss. Er fließe immer noch, nur sei er längst von der Straße gedeckelt. Ich meinte, es sei schon etliche Male in der Straße gegraben worden, doch nie hätte ich dabei den Bach entdeckt. Ja, erwiderte sie darauf, er ist ja jetzt nur noch ein Rinnsal. Auch wenn sie mich nicht erkennt, sieht sie scheinbar mehr wie ich. 19. November
2000 Rotgelbes Scheinen bei den Unscheinbaren. Womöglich bluten sie diesmal zur Abwechslung in die Lampenschüssel, oder haben sie gar ein rotes Seidentuch über den Lampenschirm geworfen, um sich einander zu nähern. Lasziv bei unverstellten Fenstern in die kein Blick fällt. Aber nicht doch, Gegenüber trägt man tote Hose, schließlich ist heute Volkstrauertag, Halbmast, und irgendwer muss ja heute Trauer tragen. 20. November
2000 Die neue Dekoration der Kleidermacherin ist mir noch in Erinnerung. Ein schwarzes Kostüm, der Zeit entsprechend, liegt im Fenster. Und den Leblosen sah ich einmal, gebeugt, geschoren, in seinem Aquarium. Ließ er Wasser in die Etage oder scheuerte er Algen von der Wand. Wahrscheinlich letzteres, von seiner Bewegung her zu schließen. Guten Morgen, unbewegtes Gegenüber in stiller Nacht ... 21. November
2000 Seltsam, dabei ist in der Eingangshalle zum Irdischen keinerlei Bewegung zu sehen. Wo nur nehmen diese Wesen Gestalt an? Vielleicht
im Treppenhaus vor der Wohnung der Roten. Heute, tags, sah ich den Vorhang,
den mit dem unveränderten, Dass die Rote zu Hause ist, erkenne ich nur an den leicht verändertem Wurf ihrer Gardine. Oder sind es vielleicht doch Gäste aus anderen Sphären ... Seltsam, kaum denke ich daran, bewegt sich der Leblose zum Fenster des Aquariums, ein grau gewandeter geschorener Schatten, beugt sich, geht zur Türe, löscht das Licht. Da steckt mehr dahinter. Bestimmt. 22.
November 2000 Kurz
wie Dämmerung das Aufscheinen der Roten. Auf dürren Füßen sah ich sie,
die Haustüre aufschließen. Im lila Mantel, von ebensolcher Mischung wie
das knallige Junigrün, nach dem die Rostroten so gerne greifen. Dabei
wäre Creme, Isabellfarben oder ein warmes Gelb der kleidsamere Ton für
diese Rotschöpfe. Mit einem Sack Daunendecken beschwert verschwindet sie nach hektischem Sperren der Türe im dunklen Ern. - Womit dieses Kreuzworträtselwörtchen auch einmal zu literarischen Würden gelangt. - Ach ja, diese Hektik, sie frisst nur Zeit. Was in Hektik getan, dauert meist länger als wäre es mit Bedacht getan; weshalb viel Zeit braucht, wer keine Zeit hat. Huschig
ihr Auftritt in der Wohnung. Kurzes lüften im Zimmer „Vorhangspalt“. Zupfen
an der Gardine. Knappes Licht, der bislang unerwähnte Bauernschrank ist
kurz zu sehen. Sie legt die Daunen daneben ab. Dann im dunklen Zimmer
der Mutter, Ich werde mein Rollo herablassen und mir den Anblick des folgenden nervösen fensterschließenden Rundganges ersparen. 23. November
2000 Jetzt ist es für mich nur ein dunkler Block. Ein wenig gekacheltes Gelbes. Ein Ansatz vom Bogen im Himmel. Sonst nur schemenhafte Dunkelheit. Dunkle Fenster hinter denen seelenlos Beseelte schlafen. Ruhe in der Gasse. Würde ich mich erheben, sehe ich in der Studentenetage zwei Freunde miteinander plaudern. Der eine nach vorne übergelehnt, der andere zurückgelehnt. Spricht man übers Studium oder über Mädchen? Nein, ich denke nicht, in diesem Alter spricht man zu später Stunde besser über seine Eltern. 24. November
2000 Ungewohntes beim Leblosen. Die Leuchte vor dem weißen Vorhang strahlt in den Nachthimmel. Spiegelt Leben vor, wo nur leere Hülle ist. Er gibt sich den Anschein von Lebendigkeit. Doch ich lasse mich nicht täuschen. Er sitzt in grauer Dämmerung dahinter und spielt mit seinen Knochen. Welch schaurige Weise klimpert er so vor sich hin? Spielt er sich das Lied vom Leben? Gegen elf Uhr knipst er die Lampe aus. Nur kurzer Schein in der Stube hinter dem weißen Vorhang. Dann Dunkelheit. Roter Widerschein von den tiefhängenden Nebelschwaden. Freitagabend, er macht sich auf, um in kalter Nässe warmes Blut zu trinken. Die dunkle Zeit, seine Hochzeit. Rotorange das nächtliche Scheinen bei den Unscheinbaren. Blutdurst auch bei ihnen? Die blaue Sonne im Fenster ist verdunkelt. Sonnenfinsternis in Laternenkarten. Weiß
wirken heute Nacht die Ziegel meines Gegenübers. 25.
November 2000 Das war das Stichwort, um meinen Eintrag vom letzten Sonntag auf Volkstrauertag zu verändern. Mit Entsetzen stelle ich fest, dass mir hier zwei Tage trotz Datensicherung verloren gegangen sind. Wühlen in den Disketten. Nein, der Fehler hat sich festgeschrieben. Sei’s drum. Wenn der andere Computer von der Reparatur kommt, müsste ich die verlorenen Einträge wiederfinden. Oder
hat sie mir gar der Leblose mental herausgesaugt? Seltsame
Nächte. Am Abend leuchtete es über dem Dach meines Gegenübers so hell,
als wäre ein Fest auf der Theresienwiese. Jetzt schmiert das Dach als
Schatten ins nächtliche Grau. War es der untergehende Mond, oder näherte
sich ein neuer Weltraumbus zur Raumbrücke des Leblosen, Verfrühtes Adventscheinen bei den Unscheinbaren. Rotes Vogelspitzleuchten zwei Etagen tiefer. Dazwischen das milchige Neon. Und links das müde Grau aus der Gaube des Leblosen. Es ist eine kalte Nacht. Schneeluft weht von Norden her. 26.
November 2000 Noch
im Absatz, meinen Blick in den Himmel gerichtet, Das
Bürschchen kehrt in die Gaube zurück, kippt das Fenster, Dünner Nebel hängt in der Straße. Der milchige Schein des Neons, ein zartes Halo für Seelenwehen. 27.
November 2000 Elf
Ziegelreihen, dann braunes Putzband, wieder zehn Ziegel und Putzband,
nach rechts zum Nebenhaus abfallend. Woher diese Neigung? Ist es der weiche
Grund, oder war es ein trunkener Maurer? So geneigt drückt das Gegenüber
dem Schnauzer in den Rücken, der in seinem Zimmer hin und her geht, sich
mal in seine Kanzel setzt, um gleich darauf wieder aufzuspringen. Die sonnige
Laternenkarte im Fenster der Unscheinbaren ist gegen einen fünfzackigen
Stern vertauscht worden. Das Grün reckt sich weiter in die Höhe. Die Gliederpuppe
ist auf die Fensterbank zurückgekehrt. Steht mit dem Rücken zum Geschläuch
der Wasserpfeife und blickt ins Zimmer. Blickt sie auf die Zeichnung,
der sie vorbildliches Phänomen war? Vier Tritteisen am Kamin zur Rechten. Sieben Tritteisen am Kamin zur Linken. Rechts verputzter Schlot, links Klinkerstele. Könnte ich wählen, würde ich beide Häuser nehmen. 28. November
2000 Vier Lichter im Oberlicht links, fünf im rechten. Rechtes Fenster: Eins im rechten Flügel, zwei im linken. Im linken Fenster spiegelgleiche Verteilung. Macht fünfzehn Lichter, eine bogumile Zahl. Fünf plus fünf plus fünf. Mani, der Unscheinbare, in seiner Seele verkrochene, grüßt über die Gasse aus der Gaube der Unscheinbaren. Leere Ziegel im Nebelhauch. Ohne Farbe, kein Gelb, kein Grau, kein Weiß, nichts ... Farblosigkeit. Leer sind sie, die Steine. Leere Formen. Wofür bieten sie sich an, was mag sie füllen, was will in ihnen wohnen, was sich in ihnen verhaften? 29. November
2000 Der
Schnauzer ohne Schnauzer sitzt im roten Strickhemd in seiner Kanzel. Heimelig
vom Leselicht beschienen, zeigt er Profil. Clownesk springt ihm die Nase
aus dem Gesicht. Das
Neon flackert an. Noch müde gelb, bald milchig weiß. Jetzt
regt sich auch der Leblose. Schließt sein Fenster, mit gewohntem Blick
in meine Richtung. Frühstückszeit für Untote. Später,als
ich beim Weggehen den Müll in die Tonne werfe, 30. November
2000 In seiner Schreibtischkanzel der Schnauzer im roten Strickhemd. Farn und Calakraut im Fenster, das Oberlicht geöffnet. Darüber bei den Unscheinbaren der Schnabel einer Thermoskanne im Fenster. Eine Frau mit Mütze und übergeworfener Pferdedecke lässt sich unter der Fensterbank nieder. Ein Fetischverhalten, eine Krankheit oder womöglich Trauer, das sie zu solcher Eigentümlichkeit treibt? Wenig
bietet das Gegenüber einem Voyeur, noch weniger einem Spanner. Ich habe
die Feste des Schusters nie beobachtet, Mählich
streicht die Sonne zum Einlass der Gasse. |